von Thomas Gramlich
Die Magazine Karate und Budo haben fusioniert. Für viele Kampfsportler sind sie
eine wichtige Quelle zur Information. Auch wenn man als Karateka oder Judoka die
Zeitschrift kauft, liest man doch auch die anderen Rubriken, wenn man schon mal dabei ist.
Deshalb scheint es mir als Mitglied des Bujinkan doch wichtig zu sein, wie Ninjutsu dargestellt wird.
Mittlerweile gibt es in westlichen Sprachen (hauptsächlich Englisch) über hundert
Bücher zu dem Thema, und die meisten wurden von (zum Teil ehemaligen)
Bujinkan-Mitgliedern verfaßt. Stephen Hayes, Charles Daniel, usw. In jedem
Trainingshandbuch
findet sich eine kurze Geschichte der Ninja, und seit fast zwanzig Jahren werden die selben Fehler,
die ein Douglas Adams oder Donn Draeger aber auch Stephen Hayes (sicherlich nicht absichtlich) machten,
immer und immer wieder wiederholt. So eben auch in der neusten Ausgabe dieses Magazins.
Zuerst die Optik (keine Angst, der Inhalt kommt auch noch dran). Da sehe ich doch wieder die notorischen
schwarzen Masken, die meines Wissens niemand im Bujinkan trägt, und von denen man sich doch
spätestens seit den Tagen eines Michael Nördersdörfers distanziert haben sollte.
Ninjutsu wird in Deutschland und auf der Welt immer mit dem Bujinkandojo gleichgesetzt werden,
wenn man also umgekehrt den
typischen
Ninja mit der Strumpfmaske darstellt,
schadet es dem Ansehen des Bujinkan.
Zweiter optischer Punkt: Die Waffen:
Seit Sho Kosugi als
Großes Vorbild
für den fleißig trainierenden Ninja-Fan
propagiert wurde, scheint sich in den Köpfen der Herausgeber festgesetzt zu haben, daß
Ninjutsu Karate im schwarzen Anzug sei, also drückt man seinen vermummten Models einige typische
Waffen aus Okinawa in die Hand, Sai, Tonfa, das obligatorische Nunchaku, fertig ist das Ninja-Klischee.
Von solchen Äußerlichkeiten angetan, wendet man sich dann dem Text zu, der ein Auszug aus
einem neu veröffentlichten Buch sein soll. Da ich das Buch nicht kenne, mag ich nichts
Ernsthaftes darüber sagen, sondern beschränke mich auf den Artikel (mir ist unklar,
ob Autor des Buchs und Verfasser des Artikels identisch sind). Das Bujinkandojo will ernstgenommen werden,
denke ich.
Wir sind uns wohl darüber einig, daß wir uns einen festen Platz in den Kampfkünsten verdient haben,
das wird aber nur schwer möglich sein, wenn man über die Geschichte des Ninjutsu schreibt,
und sich dabei nicht nur pausenlos widerspricht, sondern viele Fehler vermeiden könnte,
wenn man nur mal ein Buch über Japan gelesen hätte. So aber werden die alten Klischees
wieder und wieder durchgekaut. Deshalb hier einige Richtigstellungen (Eine detaillierte
Darstellung von Ninjutsu würde Bände füllen, aber Stephen Turnbull hat doch einen
lesbaren guten Einstieg (englisch) in die Materie vorgelegt.)
- Die Ninja, so liest man, werden zurückgeführt auf Sun Tzu.
Ja, und nein, kann man dazu nur sagen. Sun Tzu widmet den Spionen zwar ein
ganzes Kapitel in seinem Werk, aber er meint mit Sicherheit nicht die Ninja,
deren Traditionen im Bujinkan gelehrt werden. Sun Tzu schildert einfach den Einsatz von Kriegsspionen.
-
Shotoku Taishi hat als erster Ninja eingesetzt.
Ja, und zwar im Sinne Sun Tzus, also als Kundschafter.
- Die Ninja waren Buddhisten und mußten sich gegen die Zentralgewalt verteidigen,
die der neu aus China eingeführten Religion mit Mißtrauen gegenüberstand.
Das ist so ziemlich der größte Hammer. Hätte man auch nur ein
Standardwerk über Japan gelesen, hätte einem Folgendes auffallen müssen:
Shotoku Taishi (der ja als erster Ninja eingesetzt haben soll), ist derjenige,
der auch den Buddhismus in Japan etabliert hat! Nicht die armen buddhistischen Ninja
mußten vor der Zentralgewalt fliehen, sondern die Zentralgewalt floh vor den Buddhisten!
Da schon Ende des achten Jahrhunderts die Macht der Tempel in Nara (der damaligen Hauptstadt)
zu groß geworden war, verlegten die Tenno die Hauptstadt weiter nach Norden
und gründeten das heutige Kyoto. Die Tempel aber stellten in der Folgezeit
gewaltige Armeen auf die Beine, um ihren ständig wachsenden Grundbesitz zu verteidigen.
- Die Ninja stammen von den Yamabushi (Kämpfenden Mönchen) ab.
Nein! Yamabushi sind sogenannte Bergasketen, die über den Weg extremer physischer
Erfahrung, zur Erkenntnis zu gelangen versuchen.
Ursprünglich, von der nur vage definierten Lehre des Shugendo beeinflußt,
decken sich viele Aspekte der Yamabushi mit den Lehren der esoterischen Buddhismus-Sekten
wie Shingon oder Tendai. Viel später verkleideten sich Ninja
(aber auch jeder andere, der unerkannt reisen wollte), gerne als Yamabushi,
da diese unauffällig reisen konnten. Vielleicht liegt seit dem Buch von Andy Adams,
der die Yamabushi erwähnte, ein Mißverständnis zugrunde.
Yamahoshi waren nämlich Tempelsoldaten, also Krieger einer bestimmten Sekte,
die für einen Tempel kämpften.
- In der Zeit der kriegführenden Staaten tauchten viele falsche Ninjas auf.
Nein, denn es gab keine falschen
oder echten
Ninja.
Schon allein das Wort Ninja findet sich erst im 17. Jh.
Davor unterschied man ganz deutlich zwischen Guerilla, Spionen, Kundschaftern, etc.
Jeder Krieger konnte als Kundschafter tätig werden, jeder Feldherr seine eigenen Spione aufstellen.
Japanische Quellen weisen Ninjutsu Ryu in ganz Japan nach, von Hokkaido bis Kyushu.
- In der Edo-Zeit wurden die Ninja verfolgt und verboten.
Nein! Oda Nobunaga, der den Weg für die Beendigung der Bürgerkriege im sechzehnten Jahrhundert ebnete,
führte einen Feldzug gegen Iga, dem Stammland vieler unabhängiger Familien,
von denen sich einige auf Ninjutsu spezialisiert hatten.
(Hatsumi bemerkt übrigens in seinem Buch Sengoku ninpo zukan (Ninpo in der Zeit der kriegführenden Staaten),
daß die Leute aus Iga nicht alle zwangsläufig Ninja waren, sondern z.B. auch als
Dammbauspezialisten außerhalb ihrer eher ärmlichen Provinz arbeiteten).
Nobunaga rottete natürlich die Provinz Iga nicht völlig aus, obwohl es sehr schwere Verluste gab.
Tokugawa Ieyasu wiederum, der Begründer des Tokugawa Bakufu, verbot die Ninja nicht nur nicht,
er nutzte sie zu eigenen Zwecken. Hattori Hanzo, ein Jonin aus Iga, wurde mit seiner ganzen Truppe
vom Fleck weg engagiert und bildete den Kader, aus dem Tokugawa später seine Geheimpolizei bildete.
Fazit:
Ist es nicht besser, still zu sein, wenn man nichts Brauchbares zu sagen hat?
Ich weiß, daß die meisten Trainer im Bujinkan ein Interesse daran haben, sich endlich
von dem Schwarz-Masken-Klischee
zu befreien. Sollte jemand einmal für ein Magazin schreiben,
aus dem, wie gesagt, viele Kampfsportler ihre Informationen holen, sollte doch zuallererst der
Verlag darauf angesprochen werden, eben dieses optische Klischee nicht mehr breitzutreten.
Nebenbei bemerkt, wurden Wurfsterne auch von ganz gewöhnlichen Kriegern benutzt, ebenso wie Kusarigama.
Man sollte also auch nicht versuchen, den Ninja über seine Waffen zu definieren.
Wenn wir im Bujinkandojo über Ninja reden, meinen wir meistens nicht Ashida Kim, sondern beziehen
uns auf die Traditionen, die aus Iga gewachsen sind.
Leider sind keine anderen Beispiele für alte Ryu erhalten geblieben, in denen Ninjutsu eine so
wichtige Rolle gespielt hat. Auch wenn das Bujinkandojo über Ninjutsu populär wurde,
sollte aber auch allen Mitgliedern klar sein, daß im Bujinkan noch nie Ninjutsu trainiert wurde
(im Sinne von Einschleichen und Kundschaften), sondern Ninpo-Taijutsu
(Die einzigartige Kampfkunst einer Iga-Tradition).
Hatsumi Soke hat nicht umsonst die Richtlinien für das Bujinkandojo auf den Budo-Aspekt verlegt
(Budo - Taijutsu).
Einstein sagte einmal, daß ein Vorurteil schwerer aufzubrechen sei als ein Atomkern.
Deshalb sollten sich gerade die Mitglieder des Bujinkandojo bemühen, die alten Vorurteile gegen das
Bujinkan und die Klischees innerhalb des Bujinkan endlich hinter sich zu lassen.